Herr Wimpel lud gerne seine Freundinnen und Freunde zu sich ein, er war ein äußerst geselliger Mensch. Oft saßen sie dann alle in seinem gemütlichen Wohnzimmer mit der altmodisch gemusterten Tapete beisammen, bei Kaffee und Kuchen, und unterhielten sich blendend. Die neuesten Nachrichten aus der Bunten, die letzte Katastrophe in einem Dritte-Welt-Land – oder einfach nur der neueste Tratsch über die Nachbarn. Kurzum, es gab immer viel zu erzählen.
„Käthe, hast du das auch gelesen? Die Kronprinzessin von Dänemark soll schwanger gewesen sein! Aber angeblich hat sie das Kind verloren! Keiner weiß es so genau, aber so wie man hört hat ihre Schneiderin in letzter Zeit die Kleider schon eine Nummer größer schneidern müssen…“.
Anne Kleinfeld, eine rüstige Frau in ihren besten Jahren, lehnte sich über den Tisch nach vorne. Ihr ausladendes Doppelkinn zitterte, als sie mit Aufregung erzählte. Ihre goldenen Ohrringe schwankten nach vorne und zurück.
Ihr gegenüber saß Käthe Baumeister, etwa im gleichen Alter, und schaufelte sich Sahne auf ihren Kuchen. Sie trug ein loses Sommerkleid, das ihre wulstigen Formen zu kaschieren vermochte.
„Nicht zu glauben“, sagte Frau Baumeister, „aber warum soll es den Prinzessinnen anders gehen als den normalen Bürgern? Keiner ist vor so was gefeit, nicht einmal der Adel…“.
Von rechts schaltete sich Herbert Schröder ein. „Wenn man mal überlegt, wie viel darüber geschrieben wird! Und wenn man das mal zum Beispiel mit Afrika vergleicht. Da sterben jeden Tag hunderte, ach was sag ich, wahrscheinlich noch mehr Kinder, weil sie schon garnichts zu essen haben!“ sagte er und lud sich sein bereits zweites Stück Kuchen auf.
„Genau“, pflichtete Frau Kleinfeld bei, „wenn darüber alle genau so viel schreiben würden, dann wären die Zeitschriften zehn mal so dick.“ Sie nahm eine Gabel voll und schob sie sich in den Mund.
Frau Baumeister kaute schon und sagte mit halbvollem Mund: „Es ist eine Schande, aber die Kinder sind halt keine Adeligen, das kümmert einfach keinen, und selbst wenn sie darüber schreiben, welcher Politiker kann damit schon Punkte für sich machen?“
Das traf genau den Punkt von Herrn Schröder, der mit seinem neuen Stück begonnen hatte: „Ich sag es immer, es ist eben alles nur Gerede, keiner macht etwas! Dort haben sie alle nichts zu beißen, und hier machen sie blinden Wahlkampf. Die Welt ist schon schlecht“, setzte er noch nach.
„Alfons“, sagte Frau Kleinfeld zu Herrn Wimpel in der Küche, „bist du mit dem Kaffee soweit?“
Alfons Wimpel war gerade dabei, die mit frisch gebrühtem Kaffe gefüllte Kanne aus der Maschine zu nehmen und wollte sich auf den Weg zum Tisch machen. Aus dem Augenwinkel erspähte er durch die durchscheinende Gardine seines Küchenfensters seinen Nachbarn auf der anderen Straßenseite. Herr Patschke war soeben damit beschäftigt, den Kofferraum seines Wagens zu öffnen, der in der Einfahrt stand. Er sah sich um, als ob er nicht gesehen werden wollte. Was machte er denn da?
„Alfons, der Kaffee wird nur kälter!“ rief Frau Kleinfeld, und ihre goldenen Ohrringe schwankten wieder, als sie von ihrem Platz aus versuchte, um die Ecke in die Küche zu spähen.
„Ich bin schon unterwegs, Anne“, antwortete Herr Wimpel, und balancierte die Kanne zum Tisch im Wohnzimmer. „So“, sagte er, als er den anderen Kaffee eingoss, „bitte sehr. Wer möchte alles Zucker?“
Drei Hände hoben sich, alle wollten Zucker. Herr Wimpel kochte den Kaffee doch immer schön stark. Der gemeldete Bedarf war ihm ganz recht, so musste er nochmal zurück, Richtung Fenster.
Herr Schröder hob wieder an: „Wisst ihr übrigens, was mir letzte Woche passiert ist?“
„Nein“, antworteten Frau Baumeister und Frau Kleinfeld gleichzeitig, und Herr Schröder hatte ihre Aufmerksamkeit.
Herr Wimpel ging in die Küche, um den Zucker zu holen. Als er den Schrank öffnete, fiel wieder zufällig sein Blick nach draußen. Herr Patschke hatte gerade irgendetwas in den Kofferraum seines Wagens geladen, etwas Schweres. Er sah sich recht verstohlen um. Zwei Blicke links und rechts und Herr Wimpel hatte ermittelt, dass sonst niemand auf der Straße war. Herr Patschke wähnte sich allein. Von draußen, das wusste Herr Wimpel, konnte man ihn nicht sehen, wenn man von seinem Fenster einige Meter entfernt stand und die Gardine vorgezogen war. Er hatte dies zufällig und beiläufig geprüft, als er das letzte Mal mit Herrn Patschke geplaudert hatte. Schließlich ging es die Leute nichts an, was in seiner Küche geschah. Herr Patschke würde ihn also nicht sehen. Dummerweise verhinderte die Gardine jedoch auch, dass Herr Wimpel genau erkennen konnte, was Herr Patschke da gerade in seinen Wagen lud.
Aus dem Wohnzimmer drang Herr Schröders Stimme zu Herrn Wimpel, als er den Damen von seinem Erlebnis berichtete.
„Ich stehe also in meinem Garten“, erklärte Herr Schröder gerade, „und schneide meine Rosen. Ich untersuche die frischen Knospen, weil irgendwas damit nicht ganz zu stimmen scheint. Ich drehe und wende den Kopf, schaue so von der Seite auf die Blüten, und entdecke eine ganze Familie von Blattläusen“ – er machte eine kurze Pause, um die Reaktion seiner Zuhörerinnen zu testen. Frau Kleinfeld und Frau Baumeister schienen sich nicht recht über den Befall seiner Pflanzen empören zu können.
Herr Wimpel hatte ebenfalls anderes zu tun, als sich mit Ungeziefer im Garten zu befassen, er musste irgendwie an der Gardine vorbei schauen. Herr Patschke prüfte offenbar gerade das, was er in seinen Kofferraum gelegt hatte. Er würde also nicht zu Herrn Wimpels Fenster herüber schauen – vorsichtig hob Herr Wimpel eine Ecke der Gardine an, um durch den frei gewordenen Spalt einen besseren Blick erhaschen zu können.
Den Höhepunkt seiner Erzählung hatte Herr Schröder sich allerdings für seinen nun folgenden Satz aufgehoben. „Und weil ich den Kopf so schief halte, sehe ich am Fenster von meiner Nachbarin, wie sich dort plötzlich die Gardine ein Stückchen bewegt!“
Bei den Damen weiteten sich die Augen ein wenig, aha, jetzt wurde die Geschichte doch noch spannend.
„Nein“, hörte Herr Wimpel Frau Kleinfeld sagen, „hat die Schmidt dich etwa beobachtet? Hinter ihrer Gardine?“
Herr Schröder lachte und meinte: „Offenbar! Könnt ihr euch das vorstellen? Die Schmidt hat nichts Besseres zu tun, als sich hinter ihrer Gardine zu verstecken und mir mit meinen Rosen zuzusehen!“ Alle drei lachten hell auf.
Herr Wimpel in der Küche ließ abrupt die Gardine fallen und wandte sich wieder dem Schrank zu, um den Zucker heraus zu holen. Rasch brachte er ihn zum Tisch.
Kichernd sagte Frau Baumeister: „Alfons, hast du das gehört? Herberts Nachbarin, die Schmidt, beobachtet ihn heimlich im Garten!“
Nicht weniger amüsiert fügte Frau Kleinfeld hinzu: „Die hat echt nichts anderes zu tun, als sich hinter der Gardine zu postieren, aber Herbert hat sie gesehen!“
Herr Wimpel stimmte in die allgemeine Heiterkeit ein. „Ha, ha, und, Herbert, was hast du dann gemacht? Hast du ihr gewinkt?“
„Nein, aber das wäre auch keine schlechte Idee gewesen! Ich habe einfach meine Rosen weiter begutachtet, aber ganz genau, weißt du, ich bin mehrmals drum herum gegangen, und habe mir jede Blüte aus jedem möglichen Blickwinkel angesehen!“
„Und dann?“
„Na, ich hab unauffällig dabei zum Fenster von der Schmidt geschielt, und – tatsächlich! – kurze Zeit später hab ich wieder gesehen, wie eine Seite der Gardine vorsichtig ein Stückchen zur Seite geschoben wurde! Ich sag euch, noch nie hab ich mit solcher Sorgfalt meine Rosen untersucht, ha ha ha…“.
Herr Wimpel lachte laut heraus und gluckste: „Manche Leute haben einfach nichts zu tun, den ganzen Tag! Beobachtet heimlich dich und deine Blattläuse…“.
Während sich die Stimmung am Tisch weiter hob, musste Herr Wimpel wieder an Herrn Patschke denken. Irgendetwas hatte er zu verbergen, so, wie er um sich geschaut hatte. Mit Sicherheit hatte er etwas Ungewöhnliches in sein Auto verladen.
„Ich hole schnell noch das Milchkännchen“, sagte Herr Wimpel, schließlich war er ein ausgezeichneter Gastgeber, und ließ es seinen Gästen an nichts fehlen. Die Milch befand sich noch in der Küche, und rasch ging Herr Wimpel zurück.
Er angelte das Kännchen aus dem oberen Fach im Schrank, und dabei musste er sich weit nach oben strecken. So weit, dass er gerade so über die Gardine blicken konnte. Rein zufällig konnte er aus dieser Position heraus nun Herrn Patschke sehen, der ein recht großes und offenbar schweres Paket aus dem Haus trug. Herr Wimpel musste einfach wissen, was es war. Er stellte das Kännchen ab und ging zum Fenster. Vorsichtig schob er die Gardine ein Stück zur Seite und lugte hinaus. Herr Patschke hatte ein quaderförmiges Päckchen bei sich, das er mit beiden Händen trug, so schwer war es. Offenbar wurde der Inhalt von einer durchsichtigen Plastikfolie zusammen gehalten, aber Herr Wimpel am Fenster konnte es nicht ganz genau erkennen, so sehr er sich auch bemühte. Er lief nach oben.
Im Wohnzimmer sagte Anne Kleinfeld gerade: „Weißt du, Herbert, vielleicht mag die Schmidt dich auch und hat sich nur nie getraut, dich direkt anzusprechen! Wer weiß, wer weiß, vielleicht wird aus euch beiden ja noch was… He, Alfons, wo gehst du denn hin?“ rief Frau Kleinfeld Herrn Wimpel hinterher.
„Ich bin gleich bei euch“, rief er zurück, „ich muss nur eben oben nachsehen, ob ich alle Fenster zu gemacht habe!“
Mit diesen Worten ging er in sein Schlafzimmer und begann, im Kleiderschrank zu wühlen. Irgendwo musste das Ding doch sein… ah, da war es ja! Herr Wimpel hatte sein altes Opernglas entdeckt, ein kleines Fernglas, um in der Oper die Szene auf der Bühne besser verfolgen zu können. Mit seinem Fund lief er wieder nach unten, zurück in die Küche. Das Glas versteckte er dabei in seinem Hemdärmel.
„Ich bringe die Milch“, sagte er zu den anderen im Vorbeigehen. Eilig ging er wieder zum Fenster, klappte das Opernglas aus und spähte damit hinüber. Herr Patschke kam in diesem Moment erneut aus seinem Haus und hatte wiederum ein Paket bei sich. Das waren ja mehr als eins! Was es nur sein konnte? Durch das Fernglas sah Herr Wimpel nun, dass sich in der Plastikfolie eine Art Pulver befand, in grauer Farbe… recht merkwürdig….
Da hörte Herr Wimpel Schritte hinter sich. Mit einer fließenden Handbewegung legte er schnell sein Opernglas hinter einem Blumentopf ab, zog die Gardine zurück und drehte sich gerade rechzeitig zum Kühlschrank, um die Milch heraus zu nehmen.
„Kann man dir was helfen?“, fragte Frau Baumeister, die in die Küche gekommen war. „Alfons, du wirkst heute irgendwie ein wenig abgelenkt.“
„Danke, Käthe, es ist alles in Ordnung! Siehst du, ich schütte nur noch die Milch in das Kännchen.“
Käthe Baumeister sah Herrn Wimpel dabei zu, dann fiel ihr Blick aus dem Fenster.
„Du, Alfons, dein Nachbar ist da draußen.“
„Ah so?“, meinte Herr Wimpel. „Den habe ich noch garnicht bemerkt.“
„Wie war nochmal sein Name?“ fragte Frau Baumeister.
„Er heißt Patschke, klingt ziemlich gewöhnlich, aber ich glaube, er kommt ursprünglich irgendwo aus einem osteuropäischen Land. Er hat doch sehr dunkles Haar, findest du nicht?“
Sie gingen zurück zum Tisch.
„Wusstet ihr“, sagte Frau Baumeister, „dass Alfons einen Nachbarn aus Osteuropa hat?“, fragte sie.
„Tatsächlich?“, meinte Herr Schröder. „Da habe ich erst neulich was gelesen – der Drogenhandel von dort aus ist im letzten Jahr sprunghaft angestiegen, das haben die Grenzkontrollen ergeben!“
„Nein, die Welt ist schon schlecht“, meinte Frau Kleinfeld. „Diese Drogen, die verleiten die ganzen Jugendlichen hier zur sinnlosen Abhängigkeit. Für eine kleine Dosis würden die am Ende alles tun, und dann landen sie im Knast.“
„Wie machen die das denn, mit den Grenzkontrollen?“, wollte Frau Baumeister wissen.
Da war Herr Schröder Experte, schließlich sah er jeden Tag die Exklusiv-Reportagen auf den Privatsendern.
„Sie setzen Suchtrupps und Spürhunde ein!“, erklärte er, „die Schmuggler sind sehr raffiniert! Sie verstecken die Drogen an allen möglichen Orten, manche schlucken sogar kleine Säckchen mit dem Pulver drin. Aber neulich haben sie erst wieder eine große Ladung entdeckt, ich sag es euch. Die Drogen waren in ziegelsteingroßen Paketen, ein ganzer Kofferraum voll. Haben die Schmuggler einfach hinter ein paar Obstkisten versteckt und haben gedacht, sie kommen damit durch.“
„Nicht zu fassen!“ riefen die Damen beeindruckt.
Herr Wimpel hatte aufgehorcht. Ein ganzer Kofferraum voll von Drogen-Paketen. Konnte es sein, dass sein Nachbar – direkt bei ihm über der Straße? Vielleicht ein lebhafter Umschlagplatz? War das wirklich möglich? Herr Wimpel bekam Herzklopfen.
„Und“, fragte er Herrn Schröder, „wie sahen die Pakete denn aus? Hast du das im Fernsehen auch gesehen?“
„Ach“, meinte der, „wie die immer aussehen. Sie pressen das Zeug einfach in Form und wickeln es mit Folie ein. Du weißt schon, das ist so ein Pulver, meistens weiß oder grau, das sieht man doch immer in den Krimis.“
Herr Wimpel erinnerte sich. Er war sich plötzlich sicher, dass er in einer Krimi-Sendung ein solches Paket gesehen hatte, und dass es grau gewesen war. Es hatte genau so ausgesehen wie das Paket von Herrn Patschke. Und in den Krimis, da hatten sie sicher gut recherchiert. Herr Wimpels Gedanken überschlugen sich. Was, wenn sein Nachbar tatsächlich in eine solche Sache verwickelt war? Und wenn er, Alfons Wimpel, ihn entlarven konnte? Wenn er der Einzige war, der den Transport mitbekommen hatte? Vielleicht würden sie ihm einen Finderlohn geben, wenn er die entscheidenden Hinweise gab – er könnte anonym bei der Polizei anrufen. Aber wie könnten sie ihm dann seine Belohnung geben?
Den Rest des Nachmittages war Herr Wimpel ungewöhnlich still und schien nicht recht bei der Sache. Dafür rutschte er nervös auf seinem Stuhl hin und her und ging immer wieder in die Küche. Herr Patschke allerdings war weg gefahren, und es gab weiter nichts zu sehen.
Am Abend musste Herr Schröder gehen, die Damen und Herr Wimpel wollten es sich noch vor dem Fernseher gemütlich machen.
Herr Wimpel brachte Herrn Schröder zur Tür und sie verabschiedeten sich. Als er gegangen war, kam gerade Herr Wimpels Nachbarin von nebenan, Frau Müller, von einem Einkauf nach Hause. Man begrüßte sich höflich, wie der Tag so gewesen sei.
Beiläufig fragte Herr Wimpel: „Sie, Frau Müller, sagen Sie – der Herr Patschke, wissen Sie zufällig – ich meine, bloß weil ich ihn heute kurz gesehen habe – fährt er vielleicht wieder zu seinen Verwandten nach – wo war das noch – Sie wissen schon, wo er herkommt? Irgendwo in der Richtung von – Kroatien?“ Etwas anderes fiel ihm gerade nicht ein.
Frau Müller sah ihn leicht verwirrt an.
„Kroatien? Also, ich kenne den Herrn Patschke ganz gut, und seine ganzen Verwandten wohnen alle noch in Flensburg. Da ist er ja aufgewachsen. Glauben Sie mir, Patschke, das ist doch ein urdeutscher Name!“
Ja, natürlich, Herr Wimpel stimmte ihr zu, er müsse sich wohl geirrt haben – nichts für Ungut und einen schönen Abend noch, wünschte man sich.
Na sicher, der Name Patschke, das klang doch richtig deutsch. Hatte er, Herr Wimpel, sich ja gleich gedacht. Und wenn man vom Teufel spricht – genau da bog Herr Patschkes Wagen um die Ecke und er fuhr in seine Einfahrt gegenüber.
Schnell bückte sich Herr Wimpel und zupfte an einigen nicht vorhandenen Unkräutern in seinem Vorgarten. Man grüßte sich kurz mit einer kleinen Geste, als Herr Patschke ausstieg. Da öffnete sich auch schon die Haustür gegenüber und Frau Patschke trat ihrem Mann entgegen.
„Wo bist du gewesen?“ fauchte sie ihn an.
„Renate, Schatz, ich war nur noch mal im Baumarkt, ich…“
„Du wolltest heute angefangen haben, das Fundament für unser Gartenhaus anzumischen und auszugießen! Du weißt, dass es einige Tage trocknen muss!“
„Ich weiß, ich kann doch jetzt noch anfangen“ – sagte Herr Patschke und lud sich einen Sack aus dem Kofferraum auf.
„Es ist aber schon halb sieben, da wirst du heute wohl kaum noch fertig werden! Am Wochenende kommen unsere Gäste, und ich wollte, dass bis dahin alles fertig ist! Also was hast du den Tag lang gemacht?“
„Ich musste nochmal zurück, weil ich nicht den richtigen Zement hatte“, sagte Herr Patschke und schleppte den Sack zur Tür.
„Das glaube ich einfach nicht! Ich hatte dir gesagt, schau vorher in der Beschreibung nach, die ich dir ausgedruckt habe. Aber du hörst ja nicht zu, wenn ich mit dir rede…“.
Sie verschwanden beide hinter der Tür.
Er hatte demnach Zementpulver gekauft. Und weil er den falschen Zement hatte, wollte er nicht, dass seine Frau ihn beim Umtausch erwischte. Frau Patschke war aber auch sehr temperamentvoll. Zement. Das hatte Herr Wimpel sich doch gleich gedacht, irgendwie waren ihm die Pakete ja bekannt vorgekommen.
Als Herr Wimpel wieder zurück in sein Haus ging, hörte er schon die Damen vor dem Fernseher. Auf dem Bildschirm war gerade ein Bericht zu sehen, in dem sie auf eine Überschwemmung in einer Region in Afrika hinwiesen. Am Ende las eine Frauenstimme eine Spendenkonto-Nummer vor und bat um Mithilfe.
Frau Kleinfeld und Frau Baumeister hörten nur halb zu, sie lachten über etwas.
„Schalt mal um“, sagte Frau Kleinfeld gerade, „das verdirbt einem ja die Stimmung. Auf dem anderen Sender kommt nachher die Schlager-Hitparade.“
„Ich werde mal sehen, ob Alfons irgendwas zum Knabbern da hat“, sagte Frau Baumeister.
Herr Wimpel rief ihnen entgegen, er werde sofort etwas holen und sich dann zu ihnen setzen. Er ging in die Küche, und steckte Salzstangen in einen Becher.
Dabei schaute er zufällig aus dem Fenster und schob die Gardine ganz wenig zur Seite. Herr Patschke schleppte augenblicklich wieder einen Sack ins Haus. Herr Wimpel würde ihn ein wenig im Auge behalten und legte sein Opernglas griffbereit in den Schrank am Fenster – nur für den Fall.
Recht am Text: Anja Teuner. Keine Veröffentlichung oder Kopie ohne meine Zustimmung.
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