Es war wieder einer dieser Tage. Während der schwere Wagen über die Schienen rumpelte, schloss Katrin kurz die Augen und stählte sich innerlich gegen das immerwährende Nörgeln. Der kleine Junge neben ihr schlug unaufhörlich mit den Füßen gegen seinen Sitz, die Leute gegenüber schauten schon. Dazu kam ein monotones Geräusch, dass er jedesmal von sich gab, wenn die Schuhsohlen gegen den Unterbau seines Sitzes krachten. Jetzt steigerte sich die Lautstärke seiner Töne, bis er einen kurzen Schrei ausstieß, was die Dame gegenüber die Stirn in heftige Falten legen und Katrin mahnend anblicken ließ. Sie überlegte kurz, ob sie einfach so tun sollte, als gehöre Lukas nicht zu ihr. Wenigstens für zwei Minuten.
Katrin fuhr mit der Straßenbahn zur Arbeit, und auf dem Weg dorthin lieferte sie ihren Sohn Lukas am Kindergarten ab. Fünf Tage, jede Woche, und immer das Gleiche. Lukas war fünf, und schien aus irgendeinem Grund der unzufriedenste, quengeligste Junge der ganzen Stadt zu sein. Auf seinen Schrei hin begann er nun, an ihrem Ärmel zu reißen und verlangte laut: „Ich will einen Keks haben!“ Vorbei der Plan, dass sie einfach die Unbeteiligte spielen könnte.
„Wir haben jetzt keinen Keks, und du hast gerade gefrühstückt!“ erklärte Katrin.
„Ich will aber jetzt einen Keks haben“, greinte Lukas und rutschte von seinem Sitz herunter, ehe Katrin ihn daran hindern konnte.
Meistens hatte sie Kekse dabei, nur um Lukas einige Minuten ruhig zu halten, bis er keine Lust mehr darauf hatte – wirklich Hunger hatte er nach seinem Frühstück selten. Aber heute hatte sie die Kekse vergessen, was alles nur noch schlimmer machte…
„Lukas, bleib sitzen! Es ist zu gefährlich, wenn die Bahn bremst!“, rief sie ihm hinterher.
Aber Lukas hörte nicht, tat er eigentlich nie, und lief einige Meter weiter. Katrin konnte die Blicke der anderen Fahrgäste spüren. Was für eine schlechte Mutter sie doch war, konnte sie förmlich auf deren Gesichtern lesen. Sie hatte keine Kontrolle über ihren Sohn, und dieser hielt dafür die ganze Bahn in Atem. So laut, dass es alle mitbekamen.
Katrin stand auf, seufzte leise, und versuchte, Lukas einzufangen. Doch wenn er das nicht wollte, war es fast unmöglich. Er hatte sich an eine der Stangen geklammert, und wiegte seinen Kopf in ruckhaften Bewegungen hin und her, wie ein verkehrt herum aufgestelltes Pendel, dessen Antrieb beschädigt und auf merkwürdige Weise viel zu energisch war. Das Pendel rief bei jeder maximalen Auslenkung ein lautes „nein“ den Gang der Bahn hinunter.
Katrin fragte sich manchmal, ob mit Lukas vielleicht etwas nicht in Ordnung war. Oder mit ihr? Langsam verließ sie die Geduld.
„Komm jetzt und setz dich wieder hin“, fauchte sie Lukas an, und riss ihn am Arm.
Doch Lukas klammerte sich nur umso fester und schrie.
„Lukas, hör jetzt auf mit dem Geschrei, setz dich hin wie jeder andere hier auch!“
Sie riss noch fester an Lukas, der plötzlich die Stange los ließ. In diesem Moment bremste die Bahn, und Lukas fiel auf den Boden. Obwohl sie ihn noch halb auffangen konnte, wusste sie, dass es nun für ihn kein Halten mehr gab. Lukas heulte los aus vollem Hals.
„Ich will aussteigen!“ Zwischen den Schreien schluchzte Lukas heftig, sein Gesicht war puterrot, und Tränen liefen ihm über das Gesicht. Katrin wurde von einer Welle von Scham und Schuldgefühl überrollt. Ihre Hilflosigkeit war ihr noch mehr bewusst als die Aufmerksamkeit des ganzen Zuges.
„Ich will aussteigen!“, hörte man das lang gezogene Winseln, dann ein lautes Wimmern, daraufhin erneut „ich will aussteigen…“.
Katrin stand einige Zeit tatenlos neben Lukas, bis es plötzlich „klick“ in ihrem Kopf machte. Kein hörbares Klicken natürlich, nur ein innerlicher Schalter. Es war, als sähe sie sich selbst von einer Kamera aus, die jemand an der Decke des Wagens befestigt hatte. Plötzlich schalteten ihre Gefühle sich auf stumpf, und sie handelte, ohne genauer darüber nachzudenken. Als die Straßenbahn die nächste Haltestelle erreichte, schnappte sie sich Lukas, hob ihn hoch und verließ mit ihm den Zug.
Bis zum Kindergarten wären es noch einige Stationen gewesen. Katrin stand an einer ihr unbekannten Haltestelle, der schreiende Lukas hing an ihrem Arm. Sie setzte sich auf die Bank in dem halboffenen Häuschen und wartete. Worauf wusste sie selbst nicht. Lukas schrie und weinte, doch sie reagierte nicht darauf. Es machte ihr seltsamerweise nicht einmal etwas aus, dass einige Passanten und andere Wartende sie verständnislos anstarrten. Nach einer Weile reichte sie Lukas wortlos ein Taschentuch, doch er schlug ihre Hand fort. Sie führte das Taschentuch an ihr eigenes Gesicht und tupfte Tränen fort, die ihre Wangen hinunter rannen. Sie hatte sie garnicht bewusst bemerkt und spürte den Grund ihrer Trauer nicht. Seltsam, dachte sie bei sich.
Sie wartete weiter, bis Lukas das Schreien irgendwann langweilig wurde.
Er blickte zu Katrin auf. In seinem verquollenen Gesicht machte sich ein gewisses Erstaunen breit.
„Warum weinst du denn, Mama?“ fragte er.
„Ich weiß nicht“, antwortete Katrin. „Warum weinst du denn?“
Lukas hatte offenbar keine Antwort. Nachdenklich beobachtete er Katrin, die das Taschentuch noch in der Hand hielt.
„Willst du jetzt auch ein Taschentuch?“ fragte ihn Katrin. Normalerweise hätte sie ihm das Gesicht gegen seinen Widerstand abgewischt. Aber nicht heute. Lukas schaute weiterhin nachdenklich drein, schließlich schloss er die Augen fest und streckte ihr sein Gesicht hin.
„Nein“, sagte Katrin. „Das musst du schon selber machen.“
Lukas öffnete die Augen und starrte auf das Taschentuch.
„Entscheide dich jetzt, oder ich stecke es wieder ein“, sagte Katrin.
Lukas nahm zögernd das Tuch, und tupfte es etwas unbeholfen auf sein Gesicht. Seine Tränen waren allerdings bereits getrocknet.
„Da“, sagte Lukas und hielt ihr das Tuch wieder hin. Aber Katrin schüttelte den Kopf.
„Du kannst es in deine Hosentasche stecken oder weg werfen“, erklärte sie ihm. „Entscheide du.“ Er stopfte das Taschentuch in seine Hose.
„Wo sind wir denn?“ fragte Lukas.
„Ich weiß nicht“, antwortete Katrin.
Diese Antwort schien Lukas zu wundern, vielleicht verunsicherte sie ihn auch.
„Du wolltest aussteigen, also sind wir ausgestiegen“, erklärte Katrin.
Lukas schien sich vage zu erinnern. Dann fiel ihm etwas anderes ein: „Ich will einen Keks“, sagte er.
„Ich will auch einen Keks“, meinte Katrin.
Lukas sah sie erneut mit großen Augen an. Selten hatte Katrin ihn so wortkarg erlebt. Wenigstens hatte das Schreien aufgehört.
„Gib mir einen Keks“, befahl Lukas nun.
„Moment“, sagte Katrin, und durchsuchte dann aufwändig zuerst ihre Jackentaschen, danach ihre Handtasche. Dabei sagte sie: „Hier ist kein Keks – hier ist auch kein Keks – vielleicht hier – nein, leider keine Kekse da.“ Sie zeigte ihm ihre leeren Jackentaschen.
Lukas schaute erst wieder groß. Nach einer Weile fing sein Kinn an zu zittern. Er war offenbar verunsichert und kurz vor dem nächsten Tränenausbruch.
„Wenn man keine Kekse hat, muss man welche kaufen, weißt du“, sagte Katrin schnell.
„OK“, sagte Lukas und nickte.
Katrin stand schwungvoll auf und blieb sogleich stehen.
„Was ist denn jetzt?“ fragte Lukas.
„Ich weiß nicht, wo ein Keks-Geschäft ist“, erklärte Katrin. „Wir wissen ja nicht einmal, wo wir sind.“
Lukas schaute sie nur an.
Katrin fragte: „Wo sollen wir denn Kekse kaufen, Lukas?“
Als er nicht antwortete, sah Katrin sich um. „Schau mal, dort drüben ist ein Park. Da gibt es keine Geschäfte. Und in dieser Richtung sind Wohnhäuser. Da drüben scheint am ehesten eine Straße mit Geschäften zu sein. Oder was meinst du, Lukas?“
Er sah sich um. „Gehen wir da lang?“ fragte er sie.
„Entscheide du“, sagte Katrin. „Ich weiß es auch nicht sicher.“
Seine aufgerissenen Augen waren wortlos auf die ihren gerichtet. So kannte sie ihren Sohn garnicht! Allerdings erkannte sie sich selbst gerade nicht wieder. Eigentlich müsste sie längst in der Arbeit sein und Lukas im Kindergarten. Stattdessen stand sie nun mit ihrem Fünfjährigen hier auf der Straße, und sie suchten Kekse. Dennoch war sie im Augenblick zu erschöpft, darüber genauer nachzudenken.
„OK“, sagte Lukas, und er zeigte in die Richtung der vermutlichen Geschäftsstraße.
„Da probieren wir?“ fragte Katrin.
„Ja“, sagte Lukas und sie gingen los.
Nach kurzer Zeit wurde Lukas das Gehen offenbar zu anstrengend und er quengelte wieder. Katrin setzte sich auf einen Mauervorsprung.
„Und jetzt?“
Lukas schaute zunächst nur, aber als er wieder zu jammern begann, sagte Katrin mit großer Deutlichkeit: „Du wolltest aus der Straßenbahn aussteigen, also sind wir ausgestiegen. Dann wolltest du Kekse haben, also sind wir losgegangen, um ein Geschäft zu finden, das Kekse verkauft. Wir wissen nicht, wo wir sind, und du willst nicht weiter gehen. Bevor du dich nicht entscheidest, was du eigentlich willst, bleibe ich hier sitzen.“
Lukas schob sich an sie heran, machte Anstalten, getragen zu werden. Normalerweise war das Katrin am liebsten, dann konnte sie wenigstens schnell und ohne Geschrei mit ihm weiter kommen. Aber Lukas war schwer, und Katrin war heute irgendwie anders. Sie schob Lukas ein Stück von sich weg.
„Nein, Lukas!“ sagte sie bestimmt. „Wenn du nicht gehen willst, hättest du in der Straßenbahn bleiben können. Wenn du dich entscheidest auszusteigen, dann musst du auch selber laufen.“
Lukas stand neben ihr und wusste offenbar nicht, was er jetzt tun sollte. Allerdings hatte er aufgehört zu quengeln. Dann stellte er sich vor sie hin und verschränkte die Arme. Katrin wartete und verschränkte ebenfalls die Arme.
„Ich hätte schon ganz gerne einen Keks jetzt“, meinte Katrin nach einer Weile.
Lukas drehte sich um und schaute die Straße entlang.
„Meinst du, sie haben vielleicht in dem Kaufhaus da drüben Kekse?“ fragte Katrin Lukas und zeigte auf die andere Straßenseite.
„Ja“, antwortete Lukas.
Er schien zwar müde und ließ den Kopf hängen beim Gehen, aber er ging voraus. Sie gingen hinüber und betraten das Kaufhaus. Im Erdgeschoss gab es Kleidung zu kaufen. Eines von Lukas‘ Lieblingsspielen war es, in Kaufhäusern davon zu laufen und sich irgendwo zwischen den Kleiderständern zu verstecken. Katrin war meistens genervt, wenn sie ihn endlich fand, und das Ganze endete oft in Geschrei und mit Tränen. Kaum sah Lukas die Kleiderständer, war seine Müdigkeit auch schon vergessen. Er rannte kichernd los und verschwand zwischen den bunten Kleidungsstücken. Katrin folgte ihm. Als er sie hinter sich sah, lief er quietschend davon. Doch Katrin lief einfach hinterher, blieb aber immer auf Abstand. Als er stehen blieb, blieb sie ebenfalls zwei Meter von ihm entfernt stehen. Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit packte sie ihn aber nicht, um ihn zu schimpfen, sondern stand einfach da und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Das Ganze wiederholte sich noch zweimal, ohne dass Katrin schimpfte. Lukas sah sie an, als sie wieder mit hinter dem Rücken verschränkten Armen und einigem Abstand vor ihm Halt machte. Er schien die Lust am Versteckspiel zu verlieren.
Katrin sah Lukas ernst an und sagte dann: „Weißt du, wir sind an einem fremden Ort in einem fremden Kaufhaus. Da habe ich Angst, alleine zu sein oder verloren zu gehen. Deswegen bleibe ich lieber an dir dran.“
Lukas sah sie nachdenklich an. Dann ging er auf sie zu, streckte seine Hand aus und sagte: „Du brauchst keine Angst zu haben, Mama.“
Katrin lächelte, und Hand in Hand gingen sie zu den Rolltreppen.
„Ich sehe gerade, dass sie im Untergeschoss Lebensmittel haben, Lukas. Wahrscheinlich auch Kekse.“
„Sollen wir runter fahren?“ fragte Lukas.
„Willst du denn?“ fragte Katrin zurück.
„OK“, sagte Lukas und sie fuhren hinunter. Nach einer Weile – wobei Katrin Lukas suchen ließ – fanden sie das Regal mit den Süßigkeiten und Keksen. Lukas durfte sich eine Packung aussuchen und sie gingen zur Kasse. Er streckte sich, um die Packung auf das Band zu legen.
Eine etwas rundliche Kassiererin blickte auf Lukas hinab.
„So, junger Mann, das macht dann zwei Euro neunundneunzig, bitte.“
Lukas und die Kassiererin blickten zu Katrin. Die stand nur da und wartete.
„Ehm“, machte die Kassiererin.
„Ja, Lukas, dann zahl mal deine Kekse“, sagte Katrin.
Auf Lukas‘ Gesicht breitete sich nun Schrecken aus.
„Oder hast du kein Geld dabei?“ fragte Katrin.
Lukas schaute zwischen Katrin und der Kassiererin hin und her.
Schließlich sagte die Kassiererin, leicht verwirrt: „Wenn Sie nicht zahlen können, müssen Sie die Ware wieder zurück legen!“
Katrin meinte: „Tja, also, Lukas, ich könnte dir vielleicht etwas leihen. Zwei Euro neunundneunzig müsste ich dabei haben.“
Sie kniete sich hin, so dass sie auf Lukas‘ Höhe war, und holte ihren Geldbeutel heraus. Sie öffnete das Fach mit dem Münzgeld.
„Du musst drei Euro herausholen und der Dame geben.“
Sie zeigte Lukas die Geldmünzen und er nahm die passenden heraus. Nachdem Katrin ihm zugenickt hatte, gab er sie der rundlichen Kassiererin. Die lächelte und sagte: „Danke, junger Mann!“
Sie tippte, der Kassenwagen kam heraus, und sie suchte nach dem Wechselgeld. Sie gab Lukas einen Cent zurück. Lukas wollte ihn Katrin geben.
„Den darfst du behalten“, meinte Katrin.
Sie fuhren die Rolltreppe wieder hinauf, und Lukas hielt stolz seine Rolle Kekse wie eine Trophäe vor sich. Katrin lächelte und blickte auf ihre Uhr. Da schrak sie zusammen. Lukas hörte es.
„Es ist ja schon viel zu spät! Du müsstest längst im Kindergarten sein und ich in der Arbeit! Frau Hindemith wird sich sicher schon Sorgen machen, und mein Chef auch!“
Frau Hindemith war die Kindergärtnerin. Sie hätten schon seit einer Stunde im Kindergarten eintreffen müssen.
„Müssen wir zurück?“ fragte Lukas.
„Ja“, sagte Katrin. „Aber damit sich die anderen nicht so viele Sorgen machen, sollten wir lieber mal anrufen. Oder was meinst du?“
Lukas nickte. Katrin suchte ihr Telefon heraus und wählte die Nummer vom Kindergarten aus dem Adressbuch. Doch bevor sie den Hörer abnahm, dachte sie nach und gab das Telefon an Lukas weiter.
„Hier, der Kindergarten ist eigentlich deine Sache. Du solltest mit Frau Hindemith sprechen und ihr erklären, warum du aus der Straßenbahn aussteigen wolltest und wir noch nicht da sind.“
Lukas sah sie erschrocken an. Dann drückte er sich gegen ihr Bein und versteckte sein Gesicht dahinter.
„Also?“ fragte Katrin.
Lukas nahm das Telefon, tat aber nichts. Mit gesenktem Kopf stand er da.
„Möchtest du, dass ich für dich anrufe und Bescheid sage?“ bot Katrin an.
Lukas nickte erleichtert und gab ihr das Telefon zurück.
Katrin rief erst im Kindergarten, dann in ihrer Arbeit an. Sie erklärte ihre Verspätung mit einem „wichtigen Zwischenfall“ mit ihrem Sohn. Was mehr oder weniger der Wahrheit entsprach.
„Frau Hindemith hatte sich schon Sorgen gemacht, aber ich konnte alles regeln für heute“, sagte Katrin zu Lukas. Er nickte.
„Soll ich für uns den Weg zurück zur Straßenbahn finden?“ fragte ihn Katrin.
„OK“, sagte Lukas.
Am nächsten Morgen fuhren sie wieder mit der Bahn zum Kindergarten. Lukas war ungewöhnlich still. Er hatte aus seiner Tasche den Cent hervor geholt, das Rückgeld vom Vortag. Er betrachtete ihn aufmerksam und drehte ihn zwischen seinen kleinen Fingern.
Plötzlich sagte Katrin: „Ich hätte jetzt eigentlich Lust auf einen Keks.“
Lukas sah sie an, dann holte er aus seiner Jackentasche einen Keks hervor und streckte ihn ihr hin.
„Du kannst die Hälfte haben“, sagte er.
„Danke, das ist sehr nett“, antwortete Katrin und lächelte.
Bevor sie von zu Hause losgegangen waren, hatte Katrin Lukas daran erinnert, sich die Kekse mitzunehmen, falls er unterwegs welche essen wolle. Lukas war, ein wenig stolz, wie es Katrin erschienen war, zum Schrank gegangen und hatte die Kekse herausgeholt. Mit einigen Mühen hatte er den Clip der Packung geöffnet, mit dem sie sie am Vortag verschlossen hatte, und sich einen einzelnen Keks heraus geangelt. Das war zwar nicht ganz das gewesen, was Katrin sich vorgestellt hatte, aber sie hatte ihren Sohn machen lassen. Der Fußboden war mit einigen herabfallenden Bröseln gesegnet worden, ebenso hatte Lukas‘ Tascheninneres nun wahrscheinlich dasselbe Schicksal ereilt. Aber was waren schon ein paar Brösel gegen die himmlische Ruhe, die heute in der Straßenbahn nicht nur sie erstaunte.
Sie brach sich die Hälfte von dem Keks ab und gab den Rest an Lukas zurück.
„Ich hab dich lieb, Lukas“, sagte sie plötzlich.
„Ich hab dich auch lieb, Mama.“
Recht am Text: Anja Teuner. Keine Veröffentlichung oder Kopie ohne meine Zustimmung.
Bild: https://www.flickr.com/photos/mindaugasdanys/3766009204/ – Mindaugas Danys: „scream and shout“